In einer aktuellen Entscheidung hat sich der Bundesgerichtshof zu den Voraussetzungen und Verjährungsfristen einer Verbandsgeldbuße nach §§ 30, 130 OWiG geäußert (BGH, Urt. v. 18.5.2017 – 3 StR 103/17). Begehen Mitarbeiter aus dem Unternehmen heraus Straftaten, können die Unternehmen mit empfindlichen Bußgeldern belegt werden, wenn sie es unterlassen haben, erforderliche und effektive Compliance-Maßnahmen zur Verhinderung dieser Straftaten einzurichten. Eine solche Geldbuße kann bei vorsätzlichen Straftaten bis zu 10 Mio. € betragen. Allerdings können im Bußgeldverfahren über die Ahnung der Verstöße auch die finanziellen Vorteile abgeschöpft werden, welche das Unternehmen aus der Tat erlangt hat. In dem spektakulärsten Fall Siemens hat die Staatsanwaltschaft München gegen Siemens deshalb ein Bußgeld in Höhe von 395 Mio. € festsetzen können.

Fehlende oder unzureichende Compliance-Maßnahmen im Unternehmen können sich zudem mildernd auf das Strafmaß von Straftätern auswirken, welche das Unternehmen geschädigt haben. Entsprechendes gilt im Rahmen des Mitverschuldens, wenn die Unternehmen Schadensersatzansprüche gegen die Täter geltend machen. Dies kann zu erheblichen Kürzungen der Forderungen führen, welche wiederum der Unternehmensleitung anzulasten sind. Denn diese kann persönlich dafür verantwortlich und haftbar gemacht werden, wenn es infolge fehlender oder unzureichender Compliance-Maßnahmen zu den Straftaten und zu Anspruchskürzungen gekommen ist. Auf diesen Zusammenhang hatten Rechtsanwalt Dr. Johannes Dilling und Rechtsanwalt Dr. Nico Basener bereits in einer Anmerkung in der CCZ zu einem Strafurteil des Landgerichts Bochum hingewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die gegen das Unternehmen festzusetzenden Geldbußen denselben Verjährungsregeln unterliegen wie die Straftaten, auf die sich das Bußgeldverfahren bezieht. Löst demnach eine von einer natürlichen Person begangene Straftat die Haftung des Unternehmens nach §§ 130, 30 OWiG aus, gelten im Bußgeldverfahren gegen das Unternehmen die für den Straftäter maßgeblichen Vorschriften über die Verjährung. Soweit die Verjährungsfrist für den Straftäter unterbrochen wurde, wirkt dies dementsprechend auch gegenüber dem Unternehmen.

Ferner hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass bei Bestechungstaten die Verjährungfrist erst bei Beendigung der Tat zu laufen beginnt. Maßgeblich ist hierbei die letzte Handlung, auf die sich der Bestochene und der Bestecher geeinigt haben. Die Beendigung der Tat tritt daher erst dann ein, wenn der Bestochene die letzte von ihm zur Vertragserfüllung bestimmte Leistung erbringt. Hierdurch wird der Beginn der Verjährungsfrist auf den spätestmöglichen Zeitpunkt hinausgeschoben.

Schließlich hat sich der Bundesgerichtshof dazu geäußert, wie die Höhe des Bußgeldes zu begründen ist. Sollen mit dem Bußgeld nicht nur Verstöße des Unternehmens geahndet werden, sondern darüber hinaus – wie im Fall Siemens – auch Gewinne abgeschöpft werden, dann muss sich aus den Entscheidungsgründen ergeben, in welcher Höhe eine Geldbuße ahndender und in welcher Höhe sie abschöpfender Natur ist. Hinsichtlich des Abschöpfungsanteils muss zudem hinreichend belegt werden, in welcher Höhe dem Unternehmen Vorteile durch die Straftaten zugeflossen sind.

Die vorliegende Entscheidung zeigt abermals, dass es keines Verbandsstrafrechtes bedarf, um ein Unternehmen empfindlich sanktionieren zu können. Die Unternehmen müssen sich darauf einstellen, dass ihre Versäumnisse bei der Einrichtung eines funktionierenden Compliance-Systems nicht nur mit Bußgeldern in Höhe von 10 Mio. € geahndet werden können, sondern darüber hinaus auch die finanziellen Vorteile abgeschöpft werden können. Wie hoch diese sind, muss im Einzelfall bestimmt werden. Hieraus folgt eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Eine weitere Rechtsunsicherheit folgt für das Unternehmen daraus, dass die Verjährung der Bußgeldverfolgung erst dann eintritt, wenn auch die Straftaten verjährt sind, welche das Bußgeldverfahren ggf. auslösen. Die Verjährungsfrist für diese Straftaten beginnt aber wiederum erst dann zu laufen, wenn die letzte Beendigungshandlung ausgeführt wurde. Zudem wirken sich sämtliche Maßnahmen, welche die Verjährung der Straftaten unterbrechen, auch auf die Verjährung der Bußgeldverfolgung aus.

Im Zweifel kann es also sehr lange dauern, bis Unternehmen einen Schlussstrich über weit in der Vergangenheit liegende Vorkommnisse ziehen können. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmen unverzüglich damit beginnen, effektive Compliance-Maßnahmen umzusetzen. Diese sollten idealerweise auch darauf ausgerichtet sein, dass das Unternehmen von Pflichtverstößen nicht wirtschaftlich profitieren kann. Die Praxis zeigt, dass der Abschöpfungsteil eines Bußgeldes den sog. Ahndungsteil um ein vielfaches übersteigen kann. Und kommt es trotz solcher effektiven Compliance-Maßnahmen zu Straftaten im Unternehmen, bestehen sehr viel bessere Aussichten, dass ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gar nicht erst eingeleitet wird.