Die Bundesjustizministerin hat am 22.08.2019 einen Referentenentwurf zum Unternehmensstrafrecht vorgestellt. Nach diesem bereits im Koalitionsvertrag angelegten Projekt sollen künftig auch Verbände wie Unternehmen und Vereine bestraft werden können, wenn aus diesen heraus kriminelle Handlungen begangen werden, welche einen Bezug zum Verband aufweisen. Bisher war es nur über das Ordnungswidrigkeitenrecht möglich, Verbände zu sanktionieren. Über die hierbei möglichen Gewinnabschöpfungen wurden in der Vergangenheit schon empfindliche Bußgelder verhängt, wie der Fall Siemens zeigt. Von diesen Möglichkeiten haben die Strafverfolgungsbehörden bisher jedoch nur sehr uneinheitlich Gebrauch gemacht. Vor allem steht es bisher – anders als bei Privatpersonen – im Ermessen der Behörden, ob sie überhaupt ein Verfahren gegen ein Unternehmen einleiten. Künftig sollen die Staatsanwaltschaften tätig werden müssen, wenn sie Anhaltspunkte für unternehmensbezogene Straftaten haben.

Kommt jetzt die „Todesstrafe für Unternehmen“?

Die Sanktionsmöglichkeiten, welche der Entwurf vorsieht, fallen drastisch aus und reichen von erheblichen Geldstrafen bis zur Auflösung des Verbandes, der sog. „Todesstrafe für Unternehmen“. Die Geldstrafen sollen bei vorsätzlichen Taten höchstens 10 Mio. € betragen. Bei Unternehmen mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als 100 Mio. € sollen jedoch bis zu 10 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes als Sanktion verhängt werden können. Wie bisher soll das aus der Verbandsstraftat rechtswidrig erlangte Vermögen abgeschöpft werden können; dies geschieht allerdings gesondert nach den §§ 73 ff. StGB. Als Ultima Ratio soll die Auflösung des Verbandes angeordnet werden können und zwar u. a. dann, wenn dessen Leitungspersonen beharrlich Straftaten begehen, die dem Verband zuzuordnen sind. Speziell diese Sanktion ist in der Politik auf Kritik gestoßen und wird so vermutlich nicht umgesetzt werden. Bei einer großen Zahl von Geschädigten soll auch die öffentliche Verurteilung des Verbandes angeordnet werden können.

Compliance hilft

Bei der Bemessung der Geldstrafe ist nach dem Gesetzesvorhaben zentral zu berücksichtigen, ob im Unternehmen angemessene Vorkehrungen zur Vermeidung von Verbandsstrafen getroffen wurden. Entscheidend kommt es also darauf an, ob das Unternehmen über wirksame Compliance-Strukturen wie ein Hinweisgebersystem verfügt. Welche Vorkehrungen zu treffen sind, soll in Anlehnung an das Neubürger-Urteil des Landgerichts München I vom 10.12.2013 von Art, Größe und Organisation eines Unternehmens, Gefährlichkeit des Unternehmensgegenstandes, Anzahl der Mitarbeiter, den zu beachtenden Vorschriften sowie dem Risiko ihrer Verletzung abhängen. Bei kleinen Unternehmen mit geringem Risiko können laut der Entwurfsbegründing auch wenige einfache Maßnahmen ausreichen.

Interne Untersuchungen

Darüber hinaus soll die Verbandssanktion gemildert werden können, wenn das Unternehmen interne Ermittlungen durchführt. Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn die internen Ermittler nicht auch zugleich als Verteidiger des Unternehmens oder von Leitungspersonen fungieren. Die internen Ermittler sollen sich nicht auf das Verteidigerprivileg berufen können. U. a. hat dies zur Folge, dass die im Rahmen der internen Ermittlungen erstellten Unterlagen nicht beschlagnahmefrei und damit dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden ausgeliefert sind. In dieser Form dürfte dies faktisch auf eine verfassungsrechtlich nur schwer zu haltende Selbstbezichtigungspflicht („nemo tenetur se ipsum accusare“) der Unternehmen hinauslaufen.

Hervorzuheben ist, dass die interne Untersuchung nach den Grundsätzen des fairen Verfahrens und auch im Übrigen in Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen durchzuführen ist. Den von der Untersuchung betroffenen Arbeitnehmern soll sogar ein Schweigerecht zustehen, wenn eine Antwort auf Fragen sie der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzt. Eine aus dem Arbeitsverhältnis folgende Pflicht zur Beantwortung solcher Fragen läuft demnach leer.

Übersehen werden an dieser Stelle die Schnittstellen zum gebotenen Schutz von Hinweisgebern und den Vorgaben der jüngst verabschiedeten EU-Whistleblower-Richtlinie. Es ist davon auszugehen, dass dies nachgeholt wird, wenn das Gesetz verabschiedet werden sollte.

Konsequenzen für Arbeitnehmer und Aktionäre

In dem Entwurf heißt es, dass dieser mittelbar auch dem Schutz der rechtstreuen Unternehmen und deren Eignern und Arbeitnehmern dient. Aber auch Unternehmen, die nichts rechtstreu sind und die bestraft werden, haben rechtstreue Eigner und Arbeitnehmer. Mittelbar haben diese die Konsequenzen zu tragen, wenn infol-ge von Geldbußen Renditen sinken oder gar Entlassungen drohen. Auf Rechtsfolgenseite sollen diese Konsequenzen bei Verhängung einer Verbandsstrafe berücksichtigt werden. Wie dies geschehen soll, ist derzeit offen.

Über die weitere Entwicklung in diesem Bereich werde ich berichten.